Beschwerde des Bundesverbandes Geriatrie beim Bundesversicherungsamt über die Missachtung des Wunsch- und Wahlrechts einiger Krankenkassen

Aufgrund zahlreicher Berichte aus der Mitgliedschaft über die Missachtung des in § 40 SGB V verankerten Wunsch- und Wahlrechts einiger Krankenkassen hat sich der Bundesverband Geriatrie im März des Jahres 2016 mit einer Beschwerde an das Bundesversicherungsamt gewandt. Das Bundesversicherungsamt hat die Beschwerde geprüft und uns im März dieses Jahres seine Rechtsauffassung in einem Antwortschreiben zukommen lassen.

Hintergrund unserer Beschwerde war, dass in den überwiegend von der DAK-Gesundheit ergangenen ablehnenden Bescheiden, den Versicherten pauschal mitgeteilt wurde, dass für deren Behandlung in der Wunscheinrichtung ein pauschaler Höchstbetrag für einen gewissen Zeitraum übernommen werde. Dieser Betrag entsprach in allen Fällen nicht der Höhe der Tagessätze, welche in den mit den jeweiligen Rehabilitationseinrichtungen abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen niedergelegt waren. Zudem sollten die Patienten hinsichtlich der Mehrkosten mit der Klinik direkt abrechnen. Darüber hinaus wurde die Ablehnung der Wunscheinrichtung mit keinem Wort begründet und nicht transparent dargelegt, nach welchen Kriterien die (meist weit entfernten) Vergleichseinrichtungen ausgesucht wurden. Eine Begründung, warum die von den Versicherten gewählten Einrichtungen ohne Mehrkosten nicht für eine geriatrische Rehabilitation in Frage kamen, erfolgte nicht. Zudem wurden als Vergleich keine geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen, sondern indikationsspezifische Rehabilitationseinrichtungen herangezogen. Erschwerend kam hinzu, dass es sich in einigen Fällen um sog. Anschlussheilbehandlungen handelte, die innerhalb der in § 40 Abs. 6 SGB V genannten Frist angetreten werden mussten, weshalb die Patienten die Mehrkosten aufgrund der Zeitnot selbst übernahmen.

Unseres Erachtens wird durch diese Handlungsweise das sich aus § 40 SGB V i. V. m. § 9 SGB IX ergebende Wunsch- und Wahlrecht umgangen. Gemäß § 40 Abs. 3 SGB V bestimmt die Krankenkasse die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten nach § 9 SGB IX. Dabei hat die Krankenkasse gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 SGB IX auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, und die Familie Rücksicht zu nehmen. Gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 SGB V hat der Versicherte nicht nur das Recht, in der von ihm gewählten Einrichtung behandelt zu werden. Die Krankenkasse hat danach auch die Pflicht etwaige Mehrkosten zu tragen, wenn diese Kosten vor dem Hintergrund des Wunsch- und Wahlrechts angemessen sind. Hält die Krankenkasse diese Kosten vor dem Hintergrund des Wunsch- und Wahlrechts nicht für angemessen, so hat sie ihre Entscheidung konkret und nachvollziehbar zu begründen. In den o.g. Fällen erfolgte eine solche nachvollziehbare Begründung nicht, den Patienten wurden nur die Mehrkosten auferlegt.

Darüber hinaus erfolgt eine Rehabilitation gem. § 111 SGB V auf Basis des entsprechenden Versorgungsvertrages in Verbindung mit der dazu gem. § 111 Abs. 5 SGB V abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung. Deshalb kann in der Kostenübernahmeerklärung ausschließlich die Anzahl der Rehabilitationstage (genehmigter Behandlungszeitraum) festgelegt werden. Für die Festlegung eines separaten Höchstbetrages oder einer in der Höhe begrenzten Fallpauschale besteht kein Raum. Die Vergütungssätze in der Vergütungsvereinbarung sind verbindlich. Von den Regelungen dieser Vergütungsvereinbarung kann nicht nach Belieben abgewichen werden. Ein einseitiges Bestimmungsrecht der Krankenkasse sieht das Gesetz nicht vor.

Das Bundesversicherungsamt hat unsere Beschwerde geprüft und hinsichtlich der Erbringung der Leistung folgendes festgestellt:

Leistungen der stationären Rehabilitation sind grundsätzlich nur im Rahmen des Sachleistungsprinzips zu erbringen. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte im Rahmen des ihm zustehenden Wunsch-und Wahlrechts – abweichend vom Vorschlag der Kasse – eine andere zertifizierte (vertragslose) oder eine andere Vertragseinrichtung wählt.

Wird vom Versicherten eine andere zertifizierte Vertragseinrichtung für die Durchführung der Rehaleistung gewählt, hat diese gegenüber der zuständigen Krankenkasse einen Anspruch auf Zahlung der in dem für sie geltenden Kollektivvertrag geregelten Vergütung. In diesen Fällen sind vom Versicherten bei einer nach § 9 SGB IX i.V.m. § 40 Abs. 2 SGB V nicht als angemessen anzusehenden Wahl zu tragende Mehrkosten durch die zuständige Krankenkasse von diesem einzufordern.

In den – aus unserer Sicht äußerst seltenen – Fällen, in denen die Rehabilitationseinrichtung keinen Versorgungs- und Vergütungsvertrag hat, wird eine direkte Abrechnung der Mehrkosten mit der vertragslosen Einrichtung vom Bundesversicherungsamt als zulässig angesehen.

Das BVA hat uns nun darüber informiert, dass, soweit die DAK-Gesundheit die Rechtslage nicht umfassend umsetzt, aufsichtsrechtliche Erörterungen aufgenommen wurden, um ein rechtskonformes Verwaltungshandeln sicherzustellen.

Das Schreiben des Bundesversicherungsamtes können Sie hier lesen.